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Funktionalität Programmiersprache nicht urheberrechtlich geschützt

Funktionalität eines Computerprogramms und Programmiersprache nicht urheberrechtlich geschützt


Funktionalität eines Computerprogramms und Programmiersprache nicht urheberrechtlich geschützt  Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass der Erwerber einer Programmlizenz grundsätzlich berechtigt ist, das Funktionieren des Programms zu beobachten, zu untersuchen oder zu testen, um die ihm zugrunde liegenden Ideen und Grundsätze zu ermitteln.  Die SAS Institute Inc. entwickelte das SAS-System, einen integrierten Satz von Programmen, der es den Nutzern ermöglicht, Aufgaben im Bereich der Datenverarbeitung und -analyse zu verrichten und insbesondere statistische Analysen durchzuführen. Der zentrale Bestandteil des SAS-Systems ist die sogenannte Base SAS. Sie ermöglicht den Nutzern, Anwendungsprogramme (auch als „Skripte“ bekannt) zu schreiben und zu verwenden, die in der SAS-Programmiersprache geschrieben sind und eine Datenverarbeitung ermöglichen. Die World Programming Ltd (WPL) sah eine potenzielle Marktnachfrage nach alternativer Software, die in der Lage wäre, in der SAS-Sprache geschriebene Anwendungsprogramme auszuführen. Sie erstellte daher das World Programming System (WPS). Dieses bildet einen großen Teil der Funktionalitäten der SAS-Komponenten in dem Sinne nach, dass WPL sicherzustellen versuchte, dass derselbe Input (Dateneingabe in das System) zu demselben Output (Datenausgabe) führte. Dies sollte den Nutzern des SAS-Systems ermöglichen, die für die Verwendung mit dem SAS-System entwickelten Skripte unter dem WPS auszuführen. Für die Erstellung des WPS erwarb WPL rechtmäßig Kopien der Lernausgabe des SAS-Systems, die mit einer Lizenz geliefert wurden, nach der die Rechte des Lizenznehmers auf nichtproduktive Zwecke beschränkt waren. WPL benutzte und untersuchte diese Programme, um ihr Funktionieren zu verstehen, doch weist nichts darauf hin, dass sie Zugang zum Quellcode der SAS-Komponenten hatte oder diesen vervielfältigt hätte.  SAS Institute erhob Klage beim High Court of Justice (Vereinigtes Königreich) auf Feststellung, dass WPL die Handbücher und Komponenten des SAS-Systems vervielfältigt und damit die Urheberrechte von SAS Institute und die Lizenzbestimmungen der Lernausgabe verletzt hat. Vor diesem Hintergrund befragt der High Court den Europäischen Gerichtshof zum Umfang des rechtlichen Schutzes, den das Unionsrecht Computerprogrammen gewährt, und möchte insbesondere wissen, ob sich dieser Schutz auf die Funktionalität und die Programmiersprache erstreckt.  Der Europäische Gerichtshof weist erstens darauf hin, dass die Richtlinie über den Rechtsschutz von Computerprogrammen den urheberrechtlichen Schutz auf alle Ausdrucksformen der eigenen geistigen Schöpfung des Urhebers eines Computerprogramms erstreckt. Dagegen seien Ideen und Grundsätze, die irgendeinem Element eines Computerprogramms zugrunde liegen, einschließlich der den Schnittstellen zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze, nicht im Sinne der Richtlinie urheberrechtlich geschützt. Somit sei nur die Ausdrucksform dieser Ideen und Grundsätze urheberrechtlich zu schützen. Der durch die Richtlinie 91/250 geschaffene Schutzgegenstand beziehe sich auf das Computerprogramm in allen seinen Ausdrucksformen wie Quellcode und Objektcode, die seine Vervielfältigung in den verschiedenen Datenverarbeitungssprachen erlauben.  Auf der Grundlage dieser Erwägungen entscheidet der Europäische Gerichtshof, dass weder die Funktionalität eines Computerprogramms noch die Programmiersprache oder das Dateiformat, die im Rahmen eines Computerprogramms verwendet werden, um bestimmte Funktionen des Programms zu nutzen, eine Ausdrucksform darstellen. Daher genießen sie keinen urheberrechtlichen Schutz. Ließe man nämlich zu, dass die Funktionalität eines Computerprogramms urheberrechtlich geschützt wird, würde man zum Schaden des technischen Fortschritts und der industriellen Entwicklung die Möglichkeit eröffnen, Ideen zu monopolisieren.  In diesem Zusammenhang führt der Europäische Gerichtshof aus, dass, würde sich ein Dritter den Teil des Quell- oder Objektcodes beschaffen, der sich auf die Programmiersprache oder das Dateiformat bezieht, die im Rahmen eines Computerprogramms verwendet werden, und würde er mit Hilfe dieses Codes in seinem eigenen Computerprogramm ähnliche Komponenten erstellen, dieses Verhalten vom Urheber des Programms möglicherweise verboten werden könnte. Im vorliegenden Fall sei jedoch den Ausführungen des vorlegenden Gerichts zu entnehmen, dass WPL keinen Zugang zum Quellcode des Programms von SAS Institute hatte und den Objektcode dieses Programms nicht dekompiliert hat. Sie hat das Verhalten des Programms nur beobachtet, untersucht und getestet und auf dieser Grundlage seine Funktionalität vervielfältigt, wobei sie dieselbe Programmiersprache und dasselbe Dateiformat verwendet hat.  Zweitens stellt der Europäische Gerichtshof zum einen fest, dass nach der Richtlinie über den Rechtsschutz von Computerprogrammen der Erwerber einer Softwarelizenz berechtigt ist, das Funktionieren eines Computerprogramms zu beobachten, zu untersuchen oder zu testen, um die einem Programmelement zugrunde liegenden Ideen und Grundsätze zu ermitteln. Vertragliche Bestimmungen, die im Widerspruch zu diesem Recht stehen, seien unwirksam. Zum anderen sei die Ermittlung dieser Ideen und Grundsätze im Rahmen der von der Lizenz gestatteten Handlungen möglich. Daher könne der Inhaber des Urheberrechts an einem Computerprogramm nicht unter Berufung auf den Lizenzvertrag verhindern, dass der Erwerber der Lizenz das Funktionieren dieses Programms beobachtet, untersucht oder testet, um die einem Programmelement zugrunde liegenden Ideen und Grundsätze zu ermitteln, wenn dieser von der Lizenz umfasste Handlungen sowie Handlungen zum Laden und Ablaufen vornimmt, die für die Benutzung des Programms erforderlich sind, und unter der Voraussetzung, dass der Erwerber die Ausschließlichkeitsrechte des Inhabers des Urheberrechts an diesem Programm nicht verletzt.  Der Europäische Gerichtshof stellt außerdem fest, dass kein Verstoß gegen das Urheberrecht vorliegt, wenn wie im vorliegenden Fall der rechtmäßige Erwerber der Lizenz keinen Zugang zum Quellcode des Computerprogramms hatte, sondern sich darauf beschränkt hat, dieses Programm zu untersuchen, zu beobachten und zu testen, um seine Funktionalität in einem zweiten Programm zu vervielfältigen.  Schließlich entscheidet der Europäische Gerichtshof, dass die in einem Computerprogramm oder in einem Benutzerhandbuch für dieses Programm erfolgte Vervielfältigung bestimmter Elemente, die in dem urheberrechtlich geschützten Benutzerhandbuch eines anderen Computerprogramms beschrieben werden, eine Verletzung des Urheberrechts an dem letztgenannten Handbuch darstellen kann, sofern diese Vervielfältigung die eigene geistige Schöpfung des Urhebers des Benutzerhandbuchs zum Ausdruck bringt. Hierzu führt der Europäische Gerichtshof aus, dass im vorliegenden Fall die Schlüsselwörter, die Syntax, die Befehle und die Kombinationen von Befehlen, die Optionen, die Voreinstellungen und die Wiederholungen aus Wörtern, Zahlen oder mathematischen Konzepten bestehen, die einzeln betrachtet keine geistige Schöpfung des Urhebers des Computerprogramms sind. Erst mit Hilfe der Auswahl, der Anordnung und der Kombination dieser Wörter, Zahlen oder mathematischen Konzepte bringe der Urheber seinen schöpferischen Geist in origineller Weise zum Ausdruck.  Es sei Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren behauptete Vervielfältigung die eigene geistige Schöpfung des Urhebers des Benutzerhandbuchs für das Computerprogramm zum Ausdruck bringt, die urheberrechtlich geschützt ist.  02.05.2012 - C-406/10 Gerichtshof der Europäischen Union - PM 53/2012 vom 02.05.2012


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