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Amazon: Markenverletzung durch Autocomplete

LG Köln, Urteil vom 24.07.2015, Az. 84 O 13/15


Amazon: Markenverletzung durch Autocomplete

Das Landgericht Köln zwingt Amazon, seine Autocomplete-Funktion wegen Markenverletzung anzupassen. Diese offeriert Suchwortvorschläge, die die geschäftliche Bezeichnung eines österreichischen Unternehmens enthalten, aber bei Anklicken zu Produkten der Konkurrenz führen.

Sachverhalt
Die österreichische Gesellschaft goFit Gesundheit GmbH vertreibt in Deutschland die Fußreflexzonenmassagematte "goFit Gesundheitsmatte". Sie bietet ihre Produkte nicht über Amazon an. Wer in die Suchmaske der Webseite www.amazon.de die Buchstabenkombination "gof" oder "gofi" eingab, erhielt dennoch Suchwortvorschläge wie "gofit matte", "gofit gesundheitsmatte" oder "gofit matte original". Ein Klick auf diese Suchwortvorschläge führte jedoch nicht zur Gesundheitsmatte des österreichischen Unternehmens. Vielmehr zeigte die Trefferliste ausschließlich ähnliche Produkte von Mitbewerbern.

goFit Gesundheit GmbH sah darin eine Verletzung ihres Unternehmenskennzeichens. Nach erfolgloser Abmahnung klagte sie gegen Amazon Europe Core S.à r.l. auf Unterlassung, Auskunft und Erstattung der Abmahnkosten.

Amazon beantragte Klageabweisung, da "goFit" keine schutzfähige Bezeichnung sei und die Suchmaschine den Begriff nicht als Marke benutze. Eine Haftung als Suchmaschinenbetreiberin lehnt die Online-Versandhändlerin ab. Die Autocomplete-Funktion arbeite vollautomatisch und widerspiegle nur die Begriffskombinationen, die andere Kunden im Zusammenhang mit "goFit" gesucht hätten.

Das Landgericht Köln gab der Klägerin mit Urteil vom 24. Juli 2015 (Az. 84 O 13/15) recht, wogegen Amazon Berufung einlegte.

Urteilsbegründung
Nach Auffassung des Gerichtes hat der Firmenbestandteil "goFit" für einen Anbieter von Gesundheitsmatten nicht bloß beschreibenden Charakter. Er ist daher unterscheidungskräftig und genießt markenrechtlichen Schutz.

Amazon hat die Bezeichnung in den Suchwortvorschlägen als Marke verwendet. Dazu genügt, dass ein nicht völlig unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise das Zeichen als Hinweis auf die betriebliche Herkunft verstehen kann. Die Richter gehen davon aus, dass die Nutzer hinter jedem Suchwortvorschlag ein bestimmtes Produkt eines bestimmten Herstellers vermuten. So nähmen sie beispielsweise an, mit "gofit matte original" sei die Gesundheitsmatte der Klägerin gemeint.

Außerdem sieht das Landgericht eine Verwechslungsgefahr für den durchschnittlichen Adressaten. Die geringe Kennzeichnungskraft der Bezeichnung "goFit" wird kompensiert durch die hochgradige Branchennähe der in der Trefferliste angezeigten Produkte. Kommt hinzu, dass die Zeichenfolge "gofit" in den Suchwortvorschlägen identisch mit der geschäftlichen Bezeichnung der Klägerin ist. Dass diese das "f" in der Wortmitte großschreibt, ist unerheblich.

Der Verwechslungsgefahr ließe sich nach Auffassung der Richter nur mit einem Hinweis am Anfang der Suchergebnisse beikommen, die Suche nach "gofit" hätte keine Treffer ergeben. Danach könnten alternative Suchwortvorschläge ohne das Kennzeichen der Klägerin folgen.

Amazon haftet für die Suchwortvorschläge als Störerin: Die Unternehmung ist Inhaberin der Domain www.amazon.de und kann auf die Autocomplete-Funktion Einfluss nehmen. Das Landgericht Köln verweist auf sein Urteil vom 04.03.2015 (Az. 84 O 205/14). Darin bejahte es die Störerhaftung Amazons für eine Trefferliste, die auf die Suche nach bestimmten Marken (ohne Suchwortvorschläge) nur Produkte der Konkurrenz anzeigte.

Die zumindest fahrlässige Markenverletzung durch Amazon begründet eine Schadensersatzpflicht. Um festzustellen, ob ein Schaden entstanden ist, muss die Handelsplattform der Klägerin detaillierte Auskünfte über Umfang und Dauer der Markenverletzung, einzelne Angebote und allfällige Verkaufspreise liefern.

Fazit
Mittlerweile haben sich verschiedene Gerichte mit Amazons Suchmaschine befasst, die bei der Suche nach bestimmten Marken ausschließlich oder auch Konkurrenzprodukte anzeigt. Dabei besteht die Tendenz, eine Störerhaftung aus Markenverletzung zu bejahen (LG Köln, Urteil vom 04.03.2015, Az. 84 O 205/14, teilweise bestätigt durch OLG Köln, Urteil vom 20.11.2015, Az. 6 U 40/15; LG München I, Urteil vom 18.08.2015, Az. 33 O 22637/14).

Anders sieht dies freilich das Landgericht Berlin, das in der Tätigkeit von Amazon nur ein passives Zurverfügungstellen von Suchmaschine und Algorithmus erkennt. Es verneint daher eine markenmäßige Nutzung des geschützten Kennzeichens durch das Online-Handelshaus.

Das Besondere im besprochenen Fall liegt darin, dass die geschützte Bezeichnung durch die Suchmaschine selbst vorgeschlagen wird. Dies schwächt die Position von Amazon zusätzlich. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs in einem Google betreffenden Fall (BGH, Urteil vom 14.05.2013, Az. VI ZR 269/12) ist die Tätigkeit der Suchmaschinenbetreiberin bei der Suchwortergänzung nicht rein passiv. Vielmehr verarbeitet sie frühere Nutzeranfragen in einem eigenen Programm, das Begriffsverbindungen erstellt, wodurch sie für das Angebot der daraus entstehenden Suchwortvorschläge verantwortlich ist.

Entsprechend dürfte das Urteil des Landgerichts Köln in den übergeordneten Instanzen Bestand haben.

LG Köln, Urteil vom 24.07.2015, Az. 84 O 13/15


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